Das Schweigen der Frösche
Lebensraumverlust und Klimawandel
Die größte Bedrohung der Artenvielfalt weltweit, nicht nur der Amphibien, ist der Verlust natürlicher Lebensräume. Weltweit breiten sich menschliche Siedlungen und Industriegebiete immer stärker zu Lasten von Naturräumen aus.
Neue Straßen zerschneiden die Landschaft, Flüsse werden begradigt und vertieft, und der für Lurche so wichtige amphibische Lebensraum zwischen Wasser und Land wird immer weiter eingeschränkt.
Die Zerstörung der Ozonschicht führt zu einer Erhöhung der ultravioletten Strahlung an der Erdoberfläche. Ein zu hohes Maß an UV-Strahlung führt zu Zellschädigungen bei Amphibien, deren Kaulquappen im flachen Wasser der Strahlung besonders stark ausgesetzt sind. Unter „Strahlungsstress“ lebenden Amphibien sind besonders anfällig für Krankheiten und Parasitenbefall.
Vom Klimawandel hervorgerufene unnatürlich lange Trockenzeiten stellen für Amphibien ein ernstes Problem dar. Trocknet ein Tümpel zu schnell aus, stirbt der komplette Nachwuchs einer Saison. Wenn dies häufiger geschieht, kann eine ganze Population verschwinden.
Pestizide und Abgase
Schon geringe Mengen von „Pflanzenschutzmitteln“, die in der konventionellen Landwirtschaft verwendet werden, reichen aus, um Kaulquappen zu töten. Bei der engen Verzahnung von Natur- und Kulturlandschaft kommt es leider immer wieder zum Eintrag von Spritzmitteln in Gewässer.
Andere Pestizide führen zu starken Veränderungen im Sexualhormonhaushalt von Fröschen und beeinträchtigen ihren Fortpflanzungserfolg.
Selbst scheinbar ungefährliche landwirtschaftliche Maßnahmen können zum Amphibiensterben beitragen. Zur Wanderzeit der Lurche ausgebrachter Mineraldünger führt bei sich langsam fortbewegenden Tieren wie Molchen zu Verätzungen und Tod.
Neben der konventionellen Landwirtschaft tragen auch Haushalte, Verkehr und Industrie mit ihren Schadstoffen zur Belastung der Amphibienbestände bei. Stickstoffemissionen oder schwefelige Säuren aus Verbrennungsgasen wirken auf Laichgewässer ein und können von Amphibien nicht mehr besiedelt werden.
Tödlicher Pilz
Ein mysteriöses Phänomen beschäftigt seit 1998 Wissenschaftler weltweit – ein Massensterben von Amphibien.
Inzwischen ist der die Ursache bekannt: Der sogenannte Chytrid-Pilz (Batrachochytrium dendrobatidis). Die Fortpflanzungsstadien („Sporen“) des Pilzes bewegen sich aktiv im Wasser und bohren sich in die Amphibienhaut. Hier bilden sich sogenannte „Sporenträger“, die erneut Pilzsporen an das Wasser abgeben.
Infizierte Kaulquappen sterben während der Metamorphose. Auch ausgewachsene Tiere werden befallen und innerhalb von wenigen Monaten können 80 % einer Amphibienpopulation getötet werden.Die Infektionen treten weltweit auf und der Chytrid-Pilz ist auch schon bei Amphibien in Deutschland nachgewiesen worden. Bislang ist es noch nicht gelungen, die Ausbreitung des Chytridpilzes in der Natur zu stoppen. Über die Ursache für das fast zeitgleiche weltweite Auftreten des Chytrid-Pilzes wurde lange spekuliert – jetzt ist sicher, der Mensch hat ihn verbreitet.
Seit den 1930er Jahren fand der Afrikanische Krallenfrosch (Xenopus laevis) rege Anwendung bei der Diagnose menschlicher Schwangerschaften. In jedem westlichen Land wurden bis zum Aufkommen von anderen Diagnoseverfahren in den 1970er Jahren Krallenfrösche verwendet. Jedes Jahr gelangten aus diesem Grund tausende Krallenfrösche aus Südafrika in alle Welt – und mit ihnen der todbringende Pilz. Denn aus Südafrika stammt nicht nur der Krallenfrosch, sondern auch der Chytrid-Pilz, der auch Krallenfrösche befällt, allerdings ohne ihnen ernsthaft zu schaden.
Die Pilzsporen können lange Zeit im Wasser und in feuchtem Sand überdauern und gelangten auf diese Weise leicht aus den Laboren in die Natur.
Als die Frösche in der Schwangerschaftsdiagnostik nicht mehr benötigt wurden, bildeten sich in zahlreichen Ländern auch freilebende Populationen des Afrikanischen Krallenfroschs. Offensichtlich hat man die Tiere, nachdem sie im Labor ihren Dienst getan hatten, massenhaft ausgesetzt.
Die weltweite Verbreitung des Chytrid-Pilzes ist ein eindrucksvolles und warnendes Beispiel für die katastrophalen Folgen einer Entwicklung, deren Auswirkungen für den Erhalt der biologischen Vielfalt noch nicht abzusehen ist: Die durch den Menschen absichtlich und unabsichtlich herbeigeführte weltweite Verschleppung von Arten an Orte, wo sie ursprünglich nicht vorkamen.